
Schwerpunkt Holocaustfilm
Im ersten Förderjahr widmet der Critical Film & Image Hub sich einem erinnerungskulturell bedeutsamen Thema: Forschung, Transfer und Veranstaltungen, darunter eine internationale und interdisziplinäre Tagung, fokussieren die Repräsentation von Sinti und Roma im Holocaustfilm. Auch wenn dieser mittlerweile den Status eines Genres an sich beanspruchen kann, blieb die Geschichte der Minderheit aus visuellen Darstellungen des Völkermords der Nationalsozialisten, seien es fiktionale oder dokumentarische Werke, lange Zeit ausgeklammert.

Dort wo entsprechende Figuren und historische Verweise vorkamen, blieben diese narrativen Mustern unterworfen, die an tradierte, auch antiziganistische Bilderwelten und Ästhetiken anknüpften. Vor dem Hintergrund der Anerkennung des Völkermords setzte ein filmischer Wandel ein: Zunehmend erweiterte sich das Spektrum, das mittlerweile von Opfer- bis hin zu Heldengeschichten reicht, es wird von Widerstand und transgenerationellen Traumata erzählt, innovative Formate wie Kurz- und Animationsfilme versuchen, das eigentlich Undarstellbare des Holocaust auf neue Weise künstlerisch zu vermitteln.
In der Forschung zu Holocaust im Film wurde zunächst über den Anspruch, den Massenmord der Nationalsozialisten überhaupt fiktionalisieren zu dürfen und über das Gebot von Authentizität diskutiert. Ein besonderes Forschungsdesiderat in diesem Feld ist die Darstellung von Sinti und Roma sowie anderer „vergessener Opfer“ der NS-Zeit. Die wenigen Beiträge, die sich mit dem Thema beschäftigen, greifen meist über den reinen Repräsentationsgedanken nicht hinaus.
Im ersten Förderjahr des Film Hub wurde bereits ein breites Konvolut an visuellen dokumentarischen und fiktionalen Zeugnissen des Holocaust zusammengestellt. Sinti und Roma werden zwischen Rand- und Spiegelfigur inszeniert, so dass deren Geschichte ein narrativer Nebenstrang bleibt. Inszenierungsmechanismen, die dieses „Othering“ fördern, sind auch ästhetischer Natur; so bleibt durch Schnitte, Lichtregie und Farbe die Minderheit Außenseiter des Gedenkens. Dennoch zeigten zunächst einzelne Filmproduktionen einen Wandel und eine Öffnung des Holocaust-Kinos hin zu anderen Narrativen, wurden Zeugnisse von Sinti und Roma nun vermehrt zumindest mit-erzählt. Neuere Dokumentarfilme verfolgen stärker die eigene „Agency“, reflektieren Essentialisierungen und entwerfen alternative Formen der Einbindung einer noch vielfach unterzählten Geschichte. An Bedeutung gewinnt auch die Beschäftigung mit dem Thema durch Filmemacher*innen, die selbst aus der Minderheit stammen.
Ziel des Schwerpunkts ist es, das Forschungsfeld erstmals überhaupt zu erschließen und dabei sowohl eine historische Querschnittsdarstellung vor dem Hintergrund sich wandelnder Erinnerungskultur zu ermöglichen als auch die Tiefenschichten einzelner Filme freizulegen, die zugleich in vergleichender Hinsicht auf Elemente wie Ethnizität, Klasse und Gender befragt werden. Dabei werden unterschiedliche Disziplinenperspektiven zusammengeführt und die Forschung an den Transfer in Bildungsformate angeschlossen.