Call for Papers Sichtbarkeiten der Erinnerung: Der Holocaust an Sinti und Roma im Film
Die Tagung des Critical Film & Image Hub an der Forschungsstelle Antiziganismus der Universität Heidelberg vom 12.-14.11.2025 widmet sich der Repräsentation von Sinti und Roma in Filmen und visuellen Zeugnissen des Holocaust.

Eckdaten der Veranstaltung
Veranstalter: Critical Film & Image Hub, Forschungsstelle Antiziganismus, Universität Heidelberg
Veranstaltungsort: Internationales Wissenschaftsforum Heidelberg (IWH), 69117 Heidelberg
Präsenzveranstaltung vom 12.11.2025 bis 14.11.2025
Bewerbungsdeadline: 05.04.2025
Call for Papers: Sichtbarkeiten der Erinnerung: Der Holocaust an Sinti und Roma im Film
Ziel der Konferenz des Critical Film & Image Hub an der Forschungsstelle Antiziganismus (FSA) der Universität Heidelberg ist es, Forschende, Filmschaffende und Interessierte aus Europa in Austausch zu bringen, die sich mit Filmen zum Völkermord an Sinti und Roma beschäftigen. Für die Teilnahme können englische und deutsche Beiträge zu allen visuellen Formaten wie Spiel- und Dokumentarfilmen, aber auch Computerspielen oder Videos berücksichtigt werden. Mit Blick auf die „Sichtbarkeiten der Erinnerung“ soll die Veranstaltung auch der Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen historischer Narration und kultureller Repräsentation und der Bedeutung von Geschichte für die Gegenwart nachgehen.
Der Völkermord an Sinti und Roma war lange Zeit kaum Gegenstand filmischer Aufarbeitung. Meilensteine des Genres wie die TV-Serien „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ (USA, 1978), „Schindlers Liste“ (USA, 1993), „Das Leben ist schön“ (I/D/E, 1997) oder prägende Dokumentarfilme wie „Shoa“ von Claude Lanzmann (F, 1985) thematisierten die Verfolgung von Angehörigen der Minderheit kaum. In den Verfilmungen von „Nackt unter Wölfen“ (BRD 1960/DDR 1963), die von der Rettung des jüdischen Kindes Stefan Jerzy Zweig im Konzentrationslager Buchenwald erzählen, blieb die Geschichte des an seiner Stelle auf die Deportationsliste gesetzten Sinto-Jungen Willy Blum, der in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, unerzählt – die Historikerin Annette Leo hat sie vor Kurzem beleuchtet (vgl. Leo 2018).
Erst vergleichsweise spät, in den 1980er-Jahren, entstanden zwei Filme, die Mädchen aus der Minderheit fiktionalisiert in den Mittelpunkt stellten, „Als Unku Edes Freundin war“ (DDR, 1981) und „Sidonie“ (Österreich, 1990). Der Spielfilm „Und die Geigen verstummten“ (P/E 1988) thematisierte die Verfolgung einer romani Familie während der Zeit des Nationalsozialismus. In jüngerer Zeit entstanden „Django – Ein Leben für die Musik“ (D/F, 2017) über den Musiker Django Reinhardt oder „Gibsy“, der das Leben des im Nationalsozialismus ermordeten Boxers Johann Trollmann erzählt (D, 2011/2012).
Dokumentarfilme wie „Zigeuner sein“ (SE, 1970) und „Unrecht und Widerstand - Romani Rose und die Bürgerrechtsbewegung“ (D, 2022), beide von Regisseur Peter Nestler, „Auf Wiedersehen im Himmel – Die Sinti-Kinder von der St. Josefspflege“ (D, 2003), „A People Uncounted – The Untold Story of the Roma“ von Aaron Yeger (CA, 2011) und „The Deathless Woman“ von Roz Mortimer (UK, 2019) stellen die Verfolgten und Überlebenden des Holocaust selbst ins Zentrum und thematisieren Kontinuitäten des Antiziganismus nach 1945. Stilprägend und einflussreich war der Dokumentarfilm „Das falsche Wort. Wiedergutmachung an Zigeunern (Sinti) in Deutschland“ (D, 1987), der in Zusammenarbeit der Sintiza und politischen Aktivistin Melanie Spitta mit der Regisseurin Katrin Seybold entstand. Filmschaffende aus der Minderheit haben in den vergangenen Jahren verstärkt neue Perspektiven und Narrative eingebracht, etwa von Widerstand und intergenerationellen Traumata, so in „Korkoro (Liberty)“ von Tony Gatlif (FR, 2009) oder „How I became a Partisan“ von Vera Lackova (SK/CZ, 2021). Auch „Wesley schwimmt“ (D, 2024) von Adrian Oeser behandelt die Perspektive der „dritten Generation".
Als Quasi-Genre ist der Holocaustfilm mittlerweile fester Bestandteil filmwissenschaftlicher, kulturwissenschaftlicher oder geschichtswissenschaftlicher Analysen (vgl. z. B. Correll 2006). Dabei wird immer wieder die grundlegende Frage nach der Darstellbarkeit des eigentlich Undarstellbaren diskutiert (vgl. z. B. Bannasch/Hammer 2004; Köppen/Scherpe 1997), in diesem Zusammenhang auch die Nähe zum Dokumentarischen und die geschichtspolitischen Implikationen (vgl. Martinez 2004). Filme, die den Völkermord an Sinti und Roma ins Zentrum stellen, wurden bislang eher am Rande gestreift (vgl. Stiglegger 2015) oder in einzelnen Zeitschriftenbeiträgen verhandelt (vgl. Tebbutt 2003, Loshitzky 2003). Dabei ging es um die nach wie vor geringe Repräsentation der Geschichte des Holocaust an Sinti und Roma im Film und um die Ausnahmen, die noch häufig durch den Blick der Mehrheitsgesellschaft und deren Projektionen bestimmt sind (zu Antiziganismus im Film vgl. grundlegend Mladenova 2021, 2022, 2024).
Im Zuge der Tagung möchten wir fragen, ob diese Diagnosen auch für die aktuelleren Filme zum Thema gelten, die sich neuer Erzählweisen bedienen. Wir ermutigen zu Vorträgen, die, gern vergleichend und in historischer Perspektive, analysieren, mit welchen filmisch-ästhetischen Mitteln der Holocaust an Sinti und Roma jeweils dargestellt wurde – oder unsichtbar blieb. Bewerbungen auch aus den Reihen des wissenschaftlichen Nachwuchses (Dissertations-, Post-Doc-Projekte) oder von Film- und Kulturschaffenden sind willkommen.
Bewerbung
Bei Interesse an einer Präsentation von 20 Minuten Dauer bitten wir um die Zusendung eines Abstracts in deutscher oder englischer Sprache (bis zu 500 Wörter) sowie eines kurzen CV bis zum 5. April 2025 an: birgit.hofmann@zegk.uni-heidelberg.de
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung werden bis zum 1. Mai 2025 benachrichtigt. Reise- und Übernachtungskosten werden von den Veranstalter:innen übernommen. Ausgewählte Beiträge sollen im Rahmen eines Sammelbands publiziert werden.
Veranstalter und Förderer
Veranstaltet wird die Tagung vom Team des Critical Film & Image Hub an der Forschungsstelle Antiziganismus (FSA) der Universität Heidelberg. Gefördert wird das Vorhaben, das die Funktionsweise visueller Antiziganismen untersucht, als Teil des „Kooperationsverbunds gegen Antiziganismus“ im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ).
Sichtbarkeiten der Erinnerung: Der Holocaust an Sinti und Roma im Film, in: H-Soz-Kult, 07.03.2025, https://www.hsozkult.de/event/id/event-153664.