Bildungsmaterial Das Casting – Ein satirischer Kurzfilm über die mediale Reproduktion antiziganistischer Vorurteile

Ein Regisseur sucht für seinen neuen Film Darsteller*innen für “fahrendes Volk am Rande der Stadt” – möglichst “authentisch” und “aus dem Leben gegriffen” sollen die Figuren sein. Also werden zum Casting Sinti*zze und Rom*nja eingeladen. Doch diese entsprechen ganz und gar nicht den antiziganistischen Vorurteilen und Erwartungen des Regisseurs.

Ein Film gegen Antiziganismus, der insbesondere herausstellen soll, wie das verzerrte Bild von Sinti*zze und Rom*nja medial geprägt und erschaffen wird.

Filmstill

Kritische Einordnung

Wenn man sich die Credits von Filmen zum Thema „Zigeuner” ansieht, stellt man fest, dass seit Beginn der Filmgeschichte fast ausnahmslos Filme zu diesem Thema von Fachleuten aus der dominanten nationalen Kultur geschrieben, inszeniert und gespielt wurden. In den Fällen, in denen nicht-professionelle Roma-Schauspieler*innen engagiert wurden, erfolgte dies nach einem sorgfältigen Casting, das auf dunkler Hautfarbe und der Übereinstimmung mit Stereotypen basierte. Der Kurzfilm „Das Casting“ wirft einen humorvollen Blick auf die Machtverhältnisse, die während des Vorproduktionsprozesses bei den Castings für Rollen zum Tragen kommen. In einer selbstreflexiven Geste persifliert er die Reproduktion von antiziganistischen Vorurteilen im Medium Film. Wir können beobachten, dass Filmemachende eine Macht über das Geschichtenerzählen haben, die andere nicht haben. Filmregisseure und Regisseurinnen, Drehbuchautoren und -autorinnen und Kostümdesigner*innen sind in der Lage, zu entscheiden, wie das Aussehen, das Verhalten und die Bräuche der Figuren sein sollen, welche Eigenschaften diese Figuren als Menschen haben sollen und in welchen Geschichten sie vorkommen sollen. Filmemachenden sind diejenigen, die die „Wahrheit“ über „Zigeuner“ definieren, während Roma*nja in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht haben. Kurz gesagt, „Das Casting“ deckt die Machtasymmetrie in der Phase der Filmproduktion, den Mangel an Dialog zwischen den Filmemachern und den gefilmten Roma und die daraus resultierenden antiziganistischen Bilder auf.

Ein weiteres Problem, das der Film aufzeigt, betrifft das Repertoire an Rollen, die professionellen Roma-Schauspielern*innen und zur Verfügung stehen. Im Bereich der darstellenden Künste neigt der antiziganistische Blick – der eher ein überindividueller als ein individueller Blick ist – dazu, keinen konzeptionellen Unterschied zwischen fiktiven Figuren und realen Darstellern zu machen. Die Tatsache, dass Roma-Darsteller*innen sowohl auf der Leinwand als auch auf der Theaterbühne einer dramatischen Einheit des Charakters unterliegen, ist verantwortlich für die weit verbreitete Praxis, professionelle Roma-Schauspieler*innen überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich für die Darstellung imaginärer „Zigeuner“ oder realer Roma-Charaktere zu engagieren oder Roma-Laien als sogenannte „Naturtalente“ zu engagieren. Paradoxerweise resultiert derselbe Effekt der ethnischen Ghettoisierung innerhalb des Schauspielerberufs aus der heutigen Identitätspolitik-Bewegung, deren Befürworter darauf bestehen, dass Schauspieler imaginäre „ethnisch-rassische” Grenzen besser nicht überschreiten sollten.

(Text: Radmila Mladenova)

Factsheet

Laufzeit: 2:35 Min.

Genre: Satire / Awareness-Spot

Sprache: Deutsch;  Untertitel: Englisch

 

Eine Produktion der Montavia Filmproduktion GmbH

im Auftrag des Goethe-Institut Schwäbisch Hall 

in Kooperation mit 

Zentral Deutscher Sinti und Roma

Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma

Forschungsstelle Antiziganismus (Universität Heidelberg) 

Filmakademie Baden-Württemberg GmbH Abteilung Drittmittel

 

Besetzung

Felician Hohnloser - Regisseur Andi

Lara Haucke - Assistentin Sina

Cathrine Dumont - Elli

Ivana Nikolic - Castingteilnehmerin (Romni)

Sejnur Memiši - Castingteilnehmer (Rom)

Ilona Serina Roché - Castingteilnehmerin (Sintezza)

 

Team

Regie & Buch - Willi Kubica

Producer - Julius Wieler

Produktion - Steffen Freckmann, Paul Prenissl

Kamera - Benedict Uphoff

Kameraassistenz - Terry Kraatz

Oberbeleuchterin - Lina Marzin

Kostüm - Katharina Schweizer

Maske - Tanja Kusterer

Musik - Meike Kathrin Stein

Set-Ton & Mischung - Bjarne Traunier

Farbkorrekur - Rafael Starman

Set-Assistenz - Sejad Ademaj